Der sechste und letzte Teil "Grundlagen zur WWW-Promotion" behandelt den wohl empfindlichsten Teil des Web, den der News- und Diskussionsgruppen, das "Usenet". Es gibt tausende, ja zehntausende solcher Gruppen im Web und damit eine entsprechend große Zahl von Teilnehmern, die möglicherweise alle Ihre Kunden sein könnten.
An verschiedenen Stellen in dieser Reihe habe ich daran erinnert, daß nach meiner Auffassung von Werbung immer die persönliche Sphäre des Adressaten einer Werbung beachtet und gewürdigt werden muß, dies halte ich für ein Gebot der rudimentären Menschlichkeit. Die im Titel genannten Gruppen sind Gruppen von Individuen, die ein Interesse teilen und deshalb miteinander in mehr oder weniger losem Kontakt stehen. Da gibt es Gruppen, die alle Aspekte des Fliegenfischens diskutieren - alles möglicherweise Kunden eines Verlages für Fliegenfischerei-Bücher, nicht aber notwendigerweise eines Vertriebs von Versicherungsprodukten!
Für die Diskussionsgruppen werden unterschiedliche Bezeichnungen verwendet, zum Teil abhängig vom Umfeld (z.B. sprechen Onlinedienste wie Compuserve oder America Online von "Forum/Foren", im Umfeld der Universitäten spricht man von "Newsgroups" und allgemein wird vom "Usenet" gesprochen. Generell sind diese Einrichtungen hierarchisch geordnet, sie haben jeweils eine "Charta" und - eine Besonderheit, fast alle haben "Wachhunde", die sich als die Hüter dieser Charta verstehen. Die meisten Wachhunde sind "scharf", d.h. sie ahnden das geringste Vergehen, die geringste Verletzung der Charta unnachsichtig. Eines der verwerflichsten Vergehen ist: "kommerzielle Werbung im Usenet"! Meine persönliche Ansicht dazu ist schnell gesagt: Jeder Gruppe von Individuen hat das Recht, unter sich zu bleiben und sich nach eigenen Regeln zu regieren. Kein Zweifel, keine Diskussion. Probleme treten auf, wenn dieses fundamentale "Recht des anderen" mißachtet wird, weil z.B. ein "Geschäftsmann" der Überzeugung ist, daß sein Produkt so wichtig sei, daß er es jedem auf die Nase drücken darf, ja muß, ob der so Beglückte es will, braucht oder ablehnt. Dann werden Gegenmaßnahmen ersonnen und angewandt. Andererseits gibt es wohl nirgends mehr und impertinenter agierende selbsternannte Sauberkeitsapostel, wie gerade in diesen Gruppen. Auch dafür gibt es einen einfachen sachlichen Grund: Diese Gruppen sind gewachsen und frei, also ohne "Regierung" und steuernde Autorität (mit der Einschränkung, daß es sogenannte "moderierte Gruppen" gibt, deren Beiträge von einem Verantwortlichen vor Veröffentlichung gesichtet werden). So gibt es auch niemandem, der einen Wichtigmacher in die Schranken weist oder verbannt. Inwieweit die Ansichten und Maßnahmen mancher Wachhunde von der Mehrheit der Teilnehmer getragen wird, steht wohl in den Sternen ...
Bevor wir in die verschiedenen Aspekte der Newsgroups eindringen, noch etwas Grundlagenwissen hierzu. "Newsgroups" sind einerseits die Menschen, die sich zum jeweiligen Thema zusammenfinden, andererseits aber gespeicherte Beiträge - Beitragsbanken (im Sinn von Datenbank) und als solche ein gewaltiger Fundus von Ideen, Gedanken, historischen, technischen, medizinischen, philosophischen und vielen anderen Beiträgen. Sie sind gewöhnlich in "aktuellen" und "archivierten" Dateien (vergleichbar mit "Bänden" einer Buchreihe) getrennt. Diese Dateien stehen in vielen Duplikaten in aller Welt zur Verfügung, die aktuellen "Bände" werden oft mehrmals täglich, manche laufend aktualisiert. Sie brauchen also "Gastgeber" - jemand, der ihnen diesen Platz zur Verfügung stellt (und damit einhergehend die nötige Software und Wartung).
Prinzipiell liegen die Beiträge auf einem (nein: auf vielen!) Computer in einer Datei, wie Sie sie aus ihrem eigenen Mailclient kennen: So wie alle einzelnen Mails der Reihe nach in Ihrer Ablage stehen, sind alle Beiträge der Reihe nach im Speicher der Diskussiongruppe abgelegt. Der Teilnehmer kann jetzt entweder, nur die "Nachrichtenköpfe" abrufen und aus diesen gewünschte Nachrichten auswählen, oder er kann die gesamte Sammlung "herunterladen", um auf seinem Computer "offline" die Beiträge zu durchsuchen.
Im Grund ist jeder Beitrag eine eMail mit allen Merkmalen und Kennzeichen der eMails, mit denen Sie schon vertraut sind. Findet der Teilnehmer einen Beitrag, auf den er erwidern will oder zu dem er einen Kommentar geben möchte, geht er so vor, als würde er auf eine Mail antworten. Sein Beitrag kann jetzt an generell zwei unterschiedliche Adressaten gerichtet sein: An die Diskussionsgruppe insgesamt, dann wird sein Beitrag einfach am Ende der Datei eingereiht und mit dem Ausgangsbeitrag "verknüpft", oder an den Autor des Beitrages, dann geht sein Betrag nicht in die Sammlung ein. Sinngemäß kann jeder Teilnehmer selbst einen Beitrag (ohne Bezug auf schon vorhandene Beiträge) einbringen und "zur Diskussion stellen".
An diesem Punkt erkennen wir eine weitere Eigenheit dieser Gruppen:
Selbstverständlich kommen immer neue Teilnehmer dazu und stellen möglicherweise Fragen, die schon "vor endlosen Zeiten" behandelt worden sind und im Grund nur weiteren Speicher verbrauchen und die Handhabung der Gesamtdatei schwieriger machen. Diese Gruppen haben also eine eigene Kultur insofern entwickelt, daß sie größeren Wert auf Bezugnahme zum Archiv legen, als andere Gemeinschaften es tun, und die "alten Hasen" geraten leichter in Unmut, wenn "olle Kamellen" aufgewärmt werden. Viele Gruppen haben auch eine eigene "Kürzelsprache" entwickelt, und es herrscht allgemein die Tendenz, Kürzeln zu verwenden (die man kennen sollte! - siehe weiter unten). Hier können wir auch einen sehr triftigen und sachlichen Grund erkennen, weshalb "kommerzielle Werbung" im allgemeinen verpönt ist: Jeder solche "Beiträge" ist sachfremd und irrelevant zum Thema, vergrößert die Dateien (mit allen Konsequenzen) und erschwert ihren Gebrauch.
Da das Thema "Rücksichtnahme auf Gebräuche" im allgemeinen kein Thema der Schul- und Allgemeinbildung ist, gab und gibt es dauernd Verletzung dieser "Prinzipien" und logischerweise auch Gegenmaßnahmen. Ganze Wirtschaftszweige haben sich entwickelt, Geschäftsleuten mehr oder weniger realistisch und wirklichkeitsnah den Zugang zu den Teilnehmern dieser Gruppen zu verschaffen (besser: zu verkaufen) - nur allzu oft bleiben aber die Käufer dann mit der Nutzung des Produktes und seinen Risiken allein.
Jeder "reguläre" Teilnehmer an einer Gruppe kann zurecht für sich sagen, daß jeder themenfremde Beitrag SEINE Kosten steigert und er sich dagegen verwahrt und schützt. (Bitte lesen Sie zum Thema "Spamming" in der Instruktion zur eMail nach!). Die Proteste der Teilnehmer werden im allgemeinen von Service Providern (- also von Ihrem Torwächter zum Internet!) ziemlich ernst genommen, von Außenstehenden oft unverständlich konsequent. Der Hintergrund ist einfach der, daß Service Provider sehr wohl wissen, was eine "aufgebrachte Newsgroup" anrichten kann: Einen Mailserver lahmzulegen ist ohne weiteres möglich, den Ruf einer Domäne zu ruinieren ebenso. Es ist müßig, darüber zu diskutieren ob dies denn alles rechtens sei - es ist ebenso möglich, wie es möglich ist, eine Newsgroup zum Thema "Nischenbiotope im Hochgebirge" mit Werbung für CD-Roms mit pikantem Inhalt zu überschwemmen. Der Schlüssel zur friedlichen Koexistenz liegt in der Achtung und Beachtung der herrschenden Bräuche (im Usenet). Am Ende dieser Instruktion nenne ich Ihnen einer Reihe von Adressen mit weiteren Informationen.
Summarisch ergeben sich also folgende "Verhaltensstandards"
Wenn Sie ein "Inserat" für Ihre Produkte oder Leistungen in Newsgroups setzen wollen, wählen Sie ausschließlich relevante Gruppen und nur aus der Hierarchie der "Biz"-Gruppen.
Vermeiden Sie jede Form von Werbung in allen anderen Gruppen. Sie können aber bedenkenlos Ihrer Mailsignatur eine Botschaft Ihres Unternehmens anhängen, aber achten Sie darauf, daß die Signatur insgesamt nicht länger als vier Zeilen wird.
Wenn Sie in eine Newsgroup gehen, sollten Sie sachkundig sein und wirklich etwas zu sagen haben, was nicht schon gesagt worden ist. Sie können sich als Fachmann selbstverständlich in jeder einschlägigen Newsgroup profilieren und so eine Umwegwerbung bewirken.
Eine durchaus gute Möglichkeit, Teilnehmer von Newsgroups anzusprechen bietet sich in Form von persönlichen Antworten zu Beiträgen, die aber nie direkte platte Werbung sein soll. Wenn Sie schreiben "Ich habe Ihren Beitrag gelesen und wundere mich, ob Sie schon das Produkt xy kennen", wird das kaum als Werbung heftige Abwehr erfahren; dennoch kann es Ihnen geschehen! Ich persönlich rate dringend davon ab, Software zum Extrahieren von Teilnehmer-Adressen (oder so gewonnenes Adressenmaterial) zu verwenden - Software kann kein vernünftiges Urteil fällen und Sie müssen dann UNBEDINGT weitere Vorkehrungen zum Schutz Ihres Konto beim ISP treffen.
Mit welchen Gegenmaßnahmen müssen Sie rechnen? Nehmen Sie ruhig an, daß im Usenet NICHTS verhaßter ist als "unerwünschte Werbung", "Spam". Entsprechend rigoros sind die Reaktionen. Zum ersten rechnen Sie schlicht damit, daß Sie sich dem "flaming" aussetzen, das heißt der "Brandmarkung": der sich gestört Fühlende schickt eine Beschwerde an Ihren ISP und verlangt, Ihren Zugang zu sperren. Zum zweiten müssen Sie damit rechnen, daß Ihre Adresse (und die Domäne Ihres Providers) in "schwarze Listen" eingetragen wird. Zum dritten müssen Sie damit rechnen, im Wiederholungsfall mit "Mailbomben" gerügt werden, daß sie hunderte "Beschwerdemails" oder "retournierte Post" erhalten - und eine lange Liste weiterer lästiger und schädlicher Aktionen.
Es ergeben sich daraus weitere Vorkehrungen:
Gehen wir davon aus, daß Sie nur eine einzeilige Werbebotschaft, den URL Ihrer Publikation und eine eMail-Adresse zur Kontaktaufnahme in eine Newsgroup setzen. Ein "selbsternannter Wachhund" reagiert nun heftig darauf: er beschwert sich beim Webmaster Ihres Web-Hosts (also beim Webmaster der Domäne Ihres URL) und beim Webmaster der Domäne Ihrer eMail-Adresse. Nicht genug damit - er hat sich mit einer Software ausgestattet, die weiterführende Links aus Ihrem URL identifiziert und er beschwert sich bei allen Webmastern der Domänen, die darin enthalten sind. Sie sehen schon: die Folgen könnten unabsehbar sein!
Um also - auch sehr vorsichtig und umsichtig - unter Teilnehmern von
Newsgroups Kunden zu werben, beachten Sie bitte:
http://www.dejanews.com/ - ein sehr guter Einstieg zum Kennenlernen mit Suchfunktionen, Übersichten und Grundinformationen.
Um eine umfassende Einführung in das Thema zu bekommen, rate ich Ihnen, sich mit den "Quelldaten" zu befassen, Sie bekommen Sie per eMail: Schicken Sie eine eMail mit nachfolgenden Zeilen im Nachrichtenrumpf an.
<mail-server@rtfm.mit.edu> (kopieren Sie die folgenden Zeilen in den Nachrichtenrumpf!)
help
send usenet/news.announce.newusers/Introduction_to_the_*.answers_newsgroups
Die Antwort ist eine Anleitung, wie Sie die weiteren Informationen abrufen können.
Sie sollten sich vor allem sorgfältig mit dem Beitrag "Advertising_on_Usenet:_How_To Do_It,-How_Not-To_Do-It (in news.announce.newusers oder misc.entrepreneurs u.a.) befassen. Rufen Sie diese Gruppen im News-Client auf (nicht im www- oder http:Client).
Und Sie sollten sich auch unbedingt mit den "FAQ" (frequently asked Questions) befassen, die es in jeder Newsgroup gibt, Sie finden darin auch (meist) die verwendeten Sprachkürzeln.
Die Sprache des Web ist englisch - obwohl z.B. in den Newsgroups *.at und *.de meist auf deutsch kommuniziert wird, sind die wesentlichen Grundlagen meist in englisch als "Quellensprache" vorhanden. Dennoch finden Sie ähnliche (gelegentlich gleiche, übersetzte eben) Informationen auf deutsch wie vom oben angeführten Mailserver des MIT.
Wenn Ihnen trotz aller Umsicht eine "Rüge" erteilt wird, rate ich Ihnen, sich sehr moderate und kooperativ zu geben - ich raten Ihnen dringend davon ab, einen "Rechtsstreit" zu beginnen, denn Sie werden ihn verlieren. Zeigen Sie sich einsichtig und als Person, die andere (und deren Rechte!) respektiert - dann wird höchsten Ihr Beitrag gelöscht und Sie bleiben ansonsten unbeschadet. Ob rechtens oder nicht, es ist Tatsache: In den Newsgroups wird nichts mehr gehaßt als Grobheit, und jede unerwünschte Werbung wird als gewaltige Grobheit aufgefaßt und geahndet.
Abschließend ein Hinweis aus meiner langjährigen Erfahrung als Lehrender und Spezialist für Lernkunde und Lernkultur: Es lohnt sich immer, "Lehrstoff" mit neuen Augen - mit der inzwischen gewonnen Erfahrung, aus neuem Blickpunkt, noch einmal zu studieren.
Wenn Sie heute auf die ersten "Instruktionen" in unserer Reihe noch einmal lesen, werden Sie BEDEUTEND MEHR daraus lesen, als beim ersten Mal. Sie werden bedeutend mehr Möglichkeiten sehen, die Informationen praktisch umzusetzen, als beim ersten Mal. Und Sie werden die Informationen aus dieser Folge umfassender einordnen können. Kommt es nicht gerade darauf an, mehr in die Praxis erfolgreicher umzusetzen? Dieser mein Wunsch begleitet Sie - mehr Erfolg in der praktischen Umsetzung!!
Wien, am 5. Mai 1998, © Helmut W. Karl